Warum färbt der Herbst die Blätter bunt? Kai Dürfeld Antje Kraemer Photography 23. September 2019 „Bunt sind schon die Wälder ...“ - wer kennt nicht das alte Volkslied. Jetzt ist es wieder soweit. Frühmorgens bilden sich die ersten Nebelschwaden und die Wälder färben sich bunt. Der eine freut sich über das tolle Bastelmaterial, während dem anderen schon beim Gedanken an das Laubharken Schweißperlen auf der Stirn stehen. Doch warum wechseln im Herbst die Bäume ihre Farbe von sattem Grün in Gelb, Rot oder Braun? Betrachten wir einmal eine stattliche Eiche dort drüben genauer. Tief in der Erde verwurzelt trotzt ihr Stamm so manchem Sturm und ihre dichte Krone reckt sich in luftigen Höhen der Sonne entgegen. Da sind sie auch schon, die wichtigsten Elemente im Leben des Baumes. Aus der Erde versorgen ihn seine Wurzeln mit Nährstoffen und Wasser. Über die Luft nimmt er Kohlendioxid auf und die Energie der Sonne lässt ihn wachsen und gedeihen. Er betreibt Photosynthese und das grasgrüne Molekül mit dem Namen Chlorophyll ist dabei sein wichtigstes Kapital. Nun neigt sich das Jahr wieder langsam seinem Ende zu, wir freuen uns auf Weihnachten und sehen den eisigen Temperaturen einigermaßen gelassen entgegen. Doch ein durchschnittlicher, mitteleuropäischer Winter schadet dem Baum gleich in zweierlei Hinsicht. Hilft die große Blattoberfläche im Sommer das begehrte Licht einzufangen, stellt es den Baum in der frostigen Jahreszeit vor ein Problem. Er verliert wertvolle Wasservorräte an die kalte, trockene Luft. Diese kann er aber aufgrund des gefrorenen Bodens nicht über die Wurzeln wieder auffüllen. Außerdem gefriert das Zellwasser, dehnt sich aus und sprengt die Blätter. Dadurch ist vor allem das wertvolle Chlorophyll gefährdet und dessen Synthese ist wahrlich eine anstrengende Sache. Chlorophylle sind erstaunliche Verbindungen. Denn sie können die Energie des Sonnenlichts verwenden, um aus Kohlendioxid und Wasser in organische Substanzen aufzubauen. Photosynthese nennt sich dieser Prozess und der bildet die Grundlage all jener Lebewesen, die nicht von Licht und Luft alleine existieren können. Es gibt verschiedene Chlorophylle, die in Cyanobakterien, Algen, Bakterien und natürlich allen Pflanzen vorkommen. Das in deren Blättern enthaltene Chlorophyll nimmt vor allem die roten und die blauen Anteile des Lichtes auf. Der Grünanteil hingegen interessiert es nicht und wird deshalb gleich wieder nach draußen gestreut. Deshalb erscheint ein Blatt für den Betrachter so schön grün. (Bild: Antje Kraemer Photography) Schwindet das Chlorophyll aus den Blättern, gibt es den Blick frei auf all die anderen farbenprächtigen Verbindungen. In sattem Gelb erstrahlen die Carotinoide. Im Blatt haben sie eine wichtige Aufgabe: Sie schützen das Chlorophyll vor der Photooxidation – also dem Verbrennen durch das Sonnenlicht. Außerdem machen sie es möglich, dass die Pflanzen auch Licht im blau-grünen Wellenlängenbereich für die Photosynthese nutzen können. Für leuchtendes Rot hingegen sorgen Stoffe aus der Gruppe der Anthocyane. Sie schützen das Blatt vor kurzwelligen UV-Strahlen – ähnlich einer Sonnencreme beim Strandurlaub. (Bild: Antje Kraemer Photography) Pflanzliche Gerbstoffe, die Tannine, geben den Blättern hingegen einen warmen Braunton. Der Name Gerbstoff kommt daher, dass sich mit diesen Substanzen Tierhäute zu Leder verarbeiten lassen. Sie sorgen dafür, dass sich das Bindegewebe vernetzt. So wird das Leder haltbar und für Mikroorganismen weniger interessant. Die Pflanzen selbst produzieren die Tannine als Anti-Nährstoffe. Damit wollen sie Fressfeinden den Appetit verhageln. Es wird vermutet, dass Tannine die Verdauung all jener durcheinander bringen, die zu sehr an Baum und Strauch naschen. (Bild: Antje Kraemer Photography) Ist das Chlorophyll gerettet, dreht der Baum seinen Blättern buchstäblich das Wasser ab. Manche Bäume machen dabei im wahrsten Sinne des Wortes die Schotten dicht. Sie lassen eine Schicht aus Korkgewebe wachsen; dort, wo der Blattstiel am Zweig festsitzt. Der Herbstwind erledigt dann den Rest. Andere Bäume, wie etwa unsere Eiche, lassen „nur“ ihre Wasserleitungen zuwuchern. Das Blatt vertrocknet, hält sich aber noch recht lange fest am Zweig. Übrigens: Die Blätter auf dem Boden sind keineswegs verschwendet. Denn vieles, was im Waldboden kreucht und fleucht, stürzt sich mit Riesenappetit auf das Buffet, zersetzen die Biomasse und sorgen für frischen Humus. (Bild: Antje Kraemer Photography) Um ihr Überleben zu sichern, startet unsere Eiche eine Rettungsaktion und transportiert den grünen Farbstoff aus den Blättern in die Äste. Zurück bleibt eine Palette anderer Substanzen, die nun dem Blatt ihre Farbe geben. Carotinoide färben es gelb, Gerbstoffe geben einen braunen Ton und Anthocyan sorgt für ein schönes Rot. Ganz nebenbei schützt es die Blätter auch noch solange vor der Herbstsonne, bis die Mission „Chlorophyll“ erfolgreich abgeschlossen wurde. Anschließend hat das Blatt seine Schuldigkeit getan. Die Verbindungen werden gekappt und es fällt nach einer Weile herunter. Im Frühjahr aber, wenn der Schnee zu schmelzen beginnt, zeigt sich der Erfolg der Strategie. Die ersten Knospen sprießen und bald erstrahlt die alte Eiche in neuem Grün.